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sie zu verselbständigen. Das war immer mein Thema: auf
eigenen Füßen stehen, eigenes Geld verdienen und von
möglichst niemanden abhängig sein. Das Umfeld hier ist
natürlich ein anderes, da muss man schon Abstriche machen,
aber die Zielsetzung ist die gleiche.
Auch der Arbeitsmarkt hat sich ja verändert. Als ich angefangen
habe, haben wir jeden vermitteln können, das war kein
Problem. Aber heute: die Nischenarbeitsplätze sind weggefal-
len, es gibt nicht mehr diese Good -Will -Arbeitsplätze, wo
jemand sagt, ich tu was und nehm ganz einfach jemand rein.
Heute geht’s nur mehr darum, was kann er und wie passt er rein
und was wirft er ab.
Wir haben alles in der Nähe vom Einkaufen her, uns kennen
inzwischen alle. Es ist aber auch ein aktives Viertel. Ich wüsste
niemanden, der uns nicht mag oder anfeinden würde. Unser
Jüngster ist eingebunden bei den türkischen Jungs am Volkert-
markt, da geht er oft hin. Und der Rest ist mit uns unterwegs
beim Einkaufen, wir sehen und treffen viele Leute. Wir leben hier
ganz normal.
Das Menschliche im Alltag
Wenn ich mir was wünschen dürfte: da würde ich mir einen
Bautrupp kommen lassen und dem Kurt aus der Wohngemein-
schaft Sedlitzkygasse seine Terrasse klauen. Aber sonst ist die
Wohnungsstruktur hier gut. Ich glaube auch, dass unsere Klienten
sehr zufrieden sind. Wir haben auch noch einen großen Keller,
wo man viel machen kann. Und sonst sind wir halt viel unterwegs,
viel draußen in unserer Freizeit. Die Wünsche werden von den
Klienten an uns herangetragen oder unsere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter planen was mit den Bewohnern. Das unterstütze ich,
wo es nur geht. Ich hab zum Beispiel auch gesagt, ich will keinen
Konsiliararzt hier haben, das halte ich für „unnormal“, wenn der
Arzt immer ins Haus kommt. Es gibt bestimmte Dinge, wo es nicht
anders geht. Aber wir gehen mit jedem Klient zum Arzt. Das ist
normal, das ist zwar mit Sicherheit ein höherer Aufwand, aber
diese Normalität im Alltag bringt ganz einfach mehr.
Ich befürchte in Zukunft eine Verbürokratisierung der Arbeit. Ten-
denzen im Qualitätsmanagement könnten in diese Richtung
gehen. Das Extreme wäre dann, wenn man sagt: ich kaufe mir
eine Leistung ein. Jeder Klient hat ein bestimmtes Budget, über
das er verfügen kann und damit kaufe ich mir meine Pflege und
meine Leistung, die ich brauche, ein. Die Befürchtung, die ich
dabei habe, ist, dass der menschliche Part dabei immer kleiner
wird bzw. zwangsläufig kleiner werden muss auf Grund der
Dokumentation, die gemacht werden muss, und auf Grund von
zugewiesenen Zeiten für bestimmte Tätigkeiten. Und damit fällt
das Emotionale weg. Wenn ich zum Beispiel für das Bad 10 -
15 Minuten vorgeschrieben bekomme, dann ist das zwar effektiv
und der Klient wird sauber, aber wenn ich überlege, welchen
Genuss zum Beispiel eine Klientin beim Baden hat und wie
lange sie braucht und sich dabei wohlfühlt, und das außerdem
ein Moment ist, wo man einen sehr guten Zugang zu ihr hat,
den ich sonst nicht habe, dann komme ich mit den vorgegebe-
nen Zeiteinheiten nicht mehr aus. Wenn das verloren geht, geht
viel verloren, wenn die Freiheit nicht mehr da ist, das
Menschliche mitspielen zu lassen. Es ist auch manchmal wichtig,
dass du alleine mit einem in ein Kaffeehaus gehst, und dann
dauert das eben eine Stunde oder zwei. Sowas kann ich in
einem Zeitraster nicht mehr unterbringen. Dem Einzelnen bringt
diese Aktion aber sehr viel und bringt ihn unter Umständen in sei-
ner Entwicklung weiter.
Das Menschliche wird immer mehr in den Hintergrund gerückt.
Und schrumpfende Finanzen verstärken diese Tendenz. Aber
auch wenn das Geld weniger wird, aus der Verantwortung wird
sich der Sozialstaat nicht mehr stehlen können – denn dazu ist
die betroffene Lobby schon zu stark.
Schwerpunkte und Zielsetzungen
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Vorbereitung, Förderung und Stabilisierung in allen Bereichen
des Alltags
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Vermittlung von sozialer Kompetenz
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Training im Umgang mit Krisen
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Freizeitangebote
Zur Beachtung:
Diese Einrichtung ist gut geeignet für Menschen
mit Mobilitätsbehinderung.
Wir bieten:
Umfassende Betreuung, Versorgung und Pflege im Alltag, indivi-
duell ausgerichtete Assistenz für Menschen, die eine selbständige
Wohnform anstreben.
Sie erreichen uns:
Station Praterstern: U1, U2, S45
Adresse: 1020 Wien, Darwingasse 35/1