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Ein Merkmal zeichnet das institutionelle Angebot für Menschen
mit Behinderung in Wien aus: Vielfalt. Im Unterschied zu
anderen Bundesländern in denen in vielen Regionen Angebots-
monopole einzelner Trägerorganisationen bestehen, kann
Wien mittlerweile auf ein hoch differenziertes Leistungsangebot
für Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung verwei-
sen: An die 30 verschiedene Organisationen bieten unter-
schiedliche Dienste für Menschen mit kognitiven und anderen
Behinderungen an. Dies bewirkt eine zielgruppenspezifische
Vielfalt in den Angeboten für Wohnen und Arbeiten: Menschen
mit leichten Behinderungen finden in Wien maßgeschneiderte
Angebote zur Wohn- oder Arbeitsintegration ebenso wie
Menschen mit Verhaltenproblematik oder Menschen mit
komplexeren Mehrfachbehinderungen bis hin zu basalem
Unterstützungsbedarf. Natürlich darf dabei nicht vergessen
werden, dass es für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel
Menschen mit psychischer Behinderung, immer noch viel zu
wenige Angebote gibt.
Das im Vergleich dennoch hoch differenzierte und vielfältige
Angebot in Wien erzeugt vor allem eins: mehr Wahlfreiheit
für den Klienten. Die latent vorhandene „institutionelle Macht“ der
Organisation gegenüber dem einzelnen Kunden schrumpft durch
die Wahlfreiheit und den Wettbewerb. Wenn Kunden unter ver-
schiedene Angebote auswählen können, erzeugt dies Wett-
bewerb im positivsten Sinne. Wettbewerb fördert Innovation.
Das führt zu mehr Qualität für den Kunden. In Bezug auf Struktur-,
Prozess- und Ergebnisqualität sind die Wiener Organisationen
mittlerweile österreichweit vorbildlich. Langsam aber sicher wird
in Wien aus dem „Klienten“ ein „Kunde”. Leider ist dies in vielen
Regionen Österreichs keine Selbstverständlichkeit.
Das vielfältige „Wiener Modell“ der Behindertenarbeit ist vor
allem auch zustande gekommen, weil kleinere bis mittelgroße
Organisationen wie Auftakt, Lok, Balance, Habit oder Komit
und andere in den letzten 15 Jahren treibende Kräfte
wichtiger Innovationen und Entwicklungen waren. Diese
„jungen“ Organisationen haben in Wien viele hoch speziali-
sierte Angebote geschaffen. Sie legen einen starken Fokus auf
die Bedürfnisse der Zielgruppen und schaffen es,
maßgeschneiderte Betreuungsangebote zu realisieren.
„Small“ ist immer dann „beautiful“, wenn in kleinen
beweglichen, hierarchisch flachen Strukturen institutionelle
Systemzwänge minimiert und der Kundennutzen – also die
Qualität - maximiert wird. Diese Form von Qualität ist im
Übrigen nicht teuer, sondern im hohen Maße preiswert, weil
effektiv und treffsicher! Effizient müssen kleine Organisationen
ohnehin sein um überleben zu können. Viele der kleinen und
mittelgroßen Organisationen in Wien agieren deshalb auch
hochgradig kooperativ und transparent. Auftakt hat in den
vergangenen Jahren in Kooperation mit den oben genannten
Organisationen ein Benchmarkingkonzept entwickelt und
umgesetzt, das in dieser Form im deutschsprachigen Raum bis-
lang einmalig ist: Anhand von über 40 Kennzahlen können
die Leistungen der Teilnehmer Jahr für Jahr verglichen werden.
Ziel: Erhöhung des Kundennutzens - Verbesserung der Qualität!
Anmerkung zur aktuellen Entwicklung: Falls die öffentliche
Hand und der FSW in Wien in den nächsten Jahren mehrere
"Tagsatz - Nullrunden" in der Behindertenhilfe planen sollte, und
nicht einmal mehr die bescheidenen kollektivvertraglichen
Gehaltskostenzuwächse abgelten will oder kann, dann wären
zuallererst diese betriebswirtschaftlich schlanken kleineren und
mittelgroßen Organisationen, die keinen "Speck" ansetzen
konnten, gefährdet!
An den positiven Entwicklungen der letzten zehn Jahre in Wien
hat Auftakt wesentlichen Anteil. Auftakt trägt mittels hoch-
professioneller Begleitungsangebote vor allem dazu bei,
dass in Wien kein Mensch mit geistiger Behinderung in einer
segregierenden, die Menschenwürde und -rechte missachten-
den Anstaltsverwahrung mehr leben muss.
Liebe Auftaktler –wir freuen uns schon auf die nächsten zehn
kooperativen Jahre!
Herzliche Glückwünsche!
Vielfalt statt Einfalt
Wolfgang Waldmüller
Geschäftsführer Habit