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Im Erdgeschoss eines Neubaus ist die Wohngemeinschaft
Sedlitzkygasse untergebracht. Geleitet wird sie von Kurt
Trautsamwieser, der im Folgenden über seinen Werdegang
und den Alltag in der Wohngemeinschaft plaudert:
Zunächst habe ich eine Lehre als Industriekaufmann gemacht
in der VOEST in Krems, dann nach dem Grundwehrdienst
Außendienst bei einer Versicherung. Da war ich im Verkauf
beschäftigt mit Versicherungsprodukten. Nach etwa sechs
Jahren habe ich den Auftrag bekommen, ein Verkaufsteam
aufzubauen und zu leiten. Nach mehreren Jahren habe ich
dann einen kurzen Abstecher zur Mediaprint gemacht, wo ich
am Beginn der Hauszustellung dabei war. Nach zwei Jahren,
als das Ganze dann gelaufen ist, sind eben Leute abgebaut
worden und da war dann für mich die Entscheidung entweder
im Verkauf zu bleiben oder etwas anderes zu tun.
Damals hat eine Organisation in St. Pölten ein großes Projekt
geplant hat, ein psychosoziales Zentrum, wo sie auch
Quereinsteiger genommen haben. Da habe ich mich eben
beworben und sie haben mich dann genommen als Betreuer
für psychisch kranke Menschen. Ich habe die Ausbildung als
Behindertenbetreuer gemacht und war dann auch in der
Psychiatrie auf Praktikum. Sechs Jahre lang hab ich als
Betreuer gearbeitet, habe dann auch eine Leitungsfunktion
bekommen in einem Wohnhaus, bestehend aus drei
Wohngruppen, wovon zwei Wohngruppen dann zu mir
gehört haben. Das war eine Ausgliederung aus der
Psychiatrie in Gugging. Das habe ich dann auch über mehre-
re Jahre gemacht. Zwei Jahre war ich auch noch
Geschäftsführer in einer Tagesheimstätte. Seit 2002 bin ich
bei Auftakt als Leiter von Wohngemeinschaften, zunächst in
der Senefeldergasse, die ist in der Zwischenzeit geschlossen
worden und da sind wir mit den gesamten Klienten und mit
allen Mitarbeitern eben hier in den 11. Bezirk in die
Sedlitzkygasse übersiedelt.
Vom Wohnen und Arbeiten
Insgesamt haben wir in der Wohngemeinschaft acht
Klientinnen und Klienten, also fünf Frauen und drei Männer.
Im gegenüberliegenden Haus gibt es zwei Wohnungen,
Einzelwohnungen, die von zwei Frauen bewohnt werden. Die
Klientel ist von der Beeinträchtigung total verschieden:
es gibt so die klassisch geistig behinderten Menschen, die wir
hier haben, es gibt aber auch psychisch kranke Menschen mit
Borderline -Störung oder schizoaffektiver Psychose. Es gibt
Menschen, die Epilepsie haben, teilweise auch spastisch sind,
also mit Bewegungseinschränkungen – also bunt gemischt hier.
Die Bewohner sind von 19 bis 52 Jahre alt. In dieser
Mischung funktioniert das Leben hier in der Wohngemeinschaft
gut, überraschend gut, weil es auch eine Herausforderung
für die Betreuer ist, auf die verschiedenen Wünsche
einzugehen. Der jüngste Bewohner hier ist natürlich auch voll
aktiv, er pubertiert halt noch immer, unsere älteste Klientin mit
52 ist auch schon eher ruhiger, die genießt auch, dass sie am
Zimmer sein kann und fernsehen kann, dass sie lesen kann,
dass man mit ihr auch verschiedene Themen bespricht. Sie
genießt auch durchaus Kaffeehausbesuche und ist halt eher ein
bisschen ruhiger. Diese Spannbreite der Bedürfnisse ist für die
Betreuung natürlich eine Herausforderung, macht es aber auch
interessant und es wird einem auch nicht fad. Der Pflege-
aufwand ist derzeit bei unseren Bewohnerinnen und
Bewohnern noch gering. Es ist also niemand da, von dem
man sagen könnte er oder sie wären pflegeintensiv.
Die Probleme im Alltag sind eher so im affektiven Bereich,
dass manche Klienten oft einen Auszucker haben, wo nicht
immer klar ist, wo es herkommt, was hat sich da im Hirn
abgespielt, ohne dass man direkt einen Auslöser erkennen
kann. Vor allem bei einem Klienten, der Autist ist, rätseln wir
manchmal, was will er eigentlich jetzt, wenn er schreit oder
aggressiv wird. Das ist sehr spannend und ist aber auch sehr
schwierig. Eine weitere Herausforderung ist, den Klienten
etwas zu bieten, weil ihnen sonst fad ist. Das heißt, es gibt
eine Wochenstruktur, wo jeder seine Waschtage hat, seine
Einkaufstage, Kochtage, Zimmerreinigung – das ist alles
strukturiert und wird mit Hilfe der Betreuer durchgeführt.
Unter der Woche wird jeder unterschiedlich geweckt, der
früheste um sechs Uhr. Das richtet sich danach, wie sie von
den Fahrtendiensten abgeholt werden. Und der späteste wird
um halbacht Uhr geweckt. Dann folgen die Körperpflege und
das Frühstück, dann werden sie eben von den Fahrtendiensten
geholt. Ein paar fahren auch selbständig in die Werkstätten.
Zurück kommen sie von den Werkstätten so zwischen 15 und
17 Uhr. Dann findet eine gemeinsame Jause statt. Dann wird
besprochen, was es für Termine gibt. Es gibt ja oft
jemanden, der zum Arzt muss oder zur Therapie muss oder
auch zu einer Freizeitaktivität begleitet wird. Dann gibt’s ja
auch noch die Einkaufstage und dann wird für abends
gekocht. Die Klienten kochen da mit Hilfe der Betreuer. Dann
gibt es Abendessen. Und danach beginnen die Freizeit-
aktivitäten, wenn noch Zeit bleibt oder sonst geht es dann
Wohngemeinschaft Sedlitzkygasse
Sedlitzkygasse 3A, 1110 Wien
Kurt Trautsamwieser
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