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Die Wohngemeinschaft ist im ersten Stock eines Neubaus
untergebracht. In dieser Wohngemeinschaft ist es erst vor
kurzem zu einem Wechsel in der Leitung gekommen und daher
wurde auch die scheidende Leiterin Josefine Zakrajsek noch
befragt, wie sich für sie der Einzug in diese Wohngemein-
schaft damals und die Entwicklung heute darstellen. Zunächst
Josefine Zakrajsek über den Beginn in Erdberg:
Der Anfang
Das Haus war ja ganz neu, als wir eingezogen sind. Das
heißt, alle Parteien sind neu eingezogen. Am Anfang war es
mit den Nachbarn schon ein wenig schwierig, daher wollten
wir am Anfang auch gleich einmal ein Einstandsfest geben. So
kurz nach dem Einzug war das aber leider nicht machbar,
weil sich erst alle an die neue Umgebung gewöhnen mussten.
So wurde das Fest abgesagt. Die Einzüge wurden gestaffelt
organisiert. Von Mitte Juli bis Ende August sind alle eingezo-
gen. Natürlich haben wir am Anfang eine Zeit lang
gebraucht, bis wir uns hier organisiert haben und bis alles
strukturiert war. Es ist ja auch so, dass die Bewohnerinnen und
Bewohner vom Alter und dem Grad der Behinderung her völlig
unterschiedlich sind und daher auch von der Selbständigkeit.
Und die Einzelwohnungen, die hier angeschlossen sind,
sind ohnehin ganz individuell zu behandeln.
Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Änderungen in der
Besetzung der Bewohner, so wohnte z.B. hier zu Beginn ein
netter alter Herr, der aber dann eben leider gestorben ist.
Insgesamt ist es eine gute Wohngemeinschaft. Natürlich gibt
es auch Problemzonen. Denn die Bewohnerinnen und
Bewohner können sich nicht immer aussuchen, mit wem sie
zusammen wohnen. Sie können sich zwar meistens die
Zimmer in einer Wohngemeinschaft aussuchen, nicht jedoch
die Wohngemeinschaft selbst. Es würden sich sicherlich einige
wünschen, mit manchen nicht zusammen wohnen zu müssen.
Sonst läuft alles sehr positiv und sehr bedürfnisorientiert.
Martina Durstberger hat 2009 die Wohngemeinschaft von ihrer
Kollegin übernommen und schildert ihren Werdegang sowie
den jetzigen Alltag in der Wohngemeinschaft aus ihrer Sicht:
Ich habe Sonder- und Heilpädagogik studiert. Während ich
meine Diplomarbeit geschrieben habe, habe ich bei Auftakt
ein Praktikum in der Wohngemeinschaft Radetzkystraße
gemacht. Zwei Monate später bin ich Springerin geworden
und im November 2004 habe ich dann hier in der Wohn-
gemeinschaft Erdbergstraße als Betreuerin angefangen
zu arbeiten.
Die Gegenwart
Im Augenblick wohnen zehn Klienten im Alter von 20 bis 68
Jahren in der Wohngemeinschaft. Das passt im Zusammen-
leben durchaus. Manchmal ist es allerdings ein wenig
schwierig zu koordinieren, weil die Bedürfnisse sehr unter-
schiedlich sind. Einige sind zum Beispiel sehr unternehmungs-
lustig, andere wiederum wollen eher zu Hause bleiben.
Aber im Großen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben
sehr gut hier. Die Bandbreite der Behinderungen der
Bewohnerinnen und Bewohner ist sehr groß: einige waren
lange auf der Psychiatrie, es wohnen Menschen mit
Lernbehinderungen hier, aber auch mit unterschiedlich stark
ausgeprägter geistiger Behinderung. Dementsprechend ist auch
der Grad der Selbständigkeit sehr unterschiedlich. In den vier
Einzel -Wohnungen sind die Bewohner recht selbständig.
Hier in der Wohngemeinschaft brauchen sie jedoch mehr
Unterstützung und Assistenz. Der Pflegebedarf ist im Vergleich
zu den Einzelwohnungen um einiges größer, auch die
Bandbreite der Bedürfnisse ist sehr groß.
Sechs Menschen wohnen also in der Stamm - Wohngemein-
schaft und vier in den Einzelwohnungen. Das langfristige Ziel
der meisten Bewohner der Einzelwohnungen ist, sie einmal ins
teilbetreute Wohnen zu entlassen. Es ist gerade ein neuer
Bewohner in eine Einzelwohnung eingezogen. Er kommt
jeden Abend zu uns in die Wohngemeinschaft zum Essen,
solange er sich hier einlebt. Im Lauf der Zeit versuchen
wir das dann zu reduzieren und die eigenständige
Versorgung im Alltag zu fördern.
Ab zirka sechs Uhr früh fängt bei uns das Leben an und die
ersten Bewohner beginnen mit der Körperpflege. Wir müssen
hier darauf schauen, dass geduscht oder gebadet wird, dass
die Zähne geputzt werden und die Kleidung dem Wetter ent-
sprechend ausgesucht wird. Es geht da eben ums Nach-
fragen, Nachschauen, Motivieren, Beraten und Unterstützen.
Eine junge Bewohnerin wird morgens immer von der gleichen
Person, einer Teilzeitkraft, betreut. Diese konstante Betreuung
ist zum Beispiel wichtig für die psychische Stabilität der
Bewohnerin. Jeder richtet sich dann selber sein Frühstück her
soweit das geht. Es gibt da auch keinen Einheitsbrei,
der jedem aufgetischt wird, sondern jeder nimmt sich das,
was er gerne hat. Dann werden alle der Reihe nach
abgeholt vom Fahrtendienst und in die Werkstätten gebracht.
Wohngemeinschaft Erdbergstrasse
Erdbergstrasse 180, 1030 Wien
Mag
a
. Josefine Zakrajsek
Mag
a
. Martina Durstberger
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,...87