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In der Beratungsstelle in der Geusaugasse werden Bewohner-
innen und Bewohner betreut, die in eigenen Wohnungen woh-
nen, aber Unterstützung und Förderung im Alltag benötigen.
Martina Graf leitet diese Beratungsstelle und erzählt über
den Alltag in dieser Einrichtung sowie über ihren beruflichen
Werdegang:
Ich bin gelernte Sonder- und Heilpädagogin, habe 1993
diese Ausbildung abgeschlossen und dann zunächst in einer
Behindertenorganisation viereinhalb Jahre in einer Wohn-
gemeinschaft als Betreuerin gearbeitet. Dann habe ich dort zu
den teilbetreuten Wohnplätzen gewechselt, um dann 2003
schließlich zu Auftakt zu kommen. Ich habe dann noch eine
Sozialmanagementausbildung gemacht und 2005 die Leitung
der teilbetreuten Wohnplätze hier übernommen. Also im
teilbetreuten Wohnen bin ich jetzt insgesamt 12 Jahre.
Betreuung weiblich oder männlich?
Im Regelfall werden unsere Klienten 5,5 Stunden pro Woche
betreut. Das beinhaltet die Betreuung, Wegzeit, Dokumen-
tation, Besprechungen, Supervision und dergleichen.
Zielgruppe sind Menschen mit Lernbehinderungen und
Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen oder eben beides,
das gibt es auch. Es geht darum, sie in der Alltagsversorgung
zu unterstützen: sie im Bereich Arbeiten, Wohnen und
Freizeitgestaltung zu unterstützen, auch bei Wegen zu
Behörden, auch Unterstützung in finanziellen Belangen,
aber auch die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, mit
Sachwaltern, mit dem Psychosozialen Dienst, dem Otto
Wagner Spital, mit den Werkstätten, mit der Arbeitsassistenz
und dergleichen – darum geht es.
Entweder trifft man sich in der Wohnung oder man trifft sich
auch regelmäßig in der Betreuungsstelle bei uns. Aber man
hat auch Termine draußen, was bedeutet, dass man zum
Beispiel auf ein Amt gehen muss, aufs Sozialamt, auf das
Jugendamt oder dass man zum Arzt oder dass man auch
zum Sachwalter mitgeht. Das richtet sich ganz nach der
Notwendigkeit. Die Stunden der Betreuung sind fix ausge-
macht und dann kommt es eben darauf an, wenn ein Termin
lange dauert - so drei bis vier Stunden -, dann wird es einen
zweiten in dieser Woche nicht mehr geben.
Wir sind hier sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
betreuen derzeit 33 Klienten. Ich selbst betreue auch vier
Klienten. Eine Vollzeitkraft betreut sieben Klienten. Der Klient
kann schon Wünsche abgeben, von wem er betreut werden
will. Ob wir sie ihm immer erfüllen können hängt davon ab,
ob derjenige auch noch Kapazitäten frei hat. Wobei wir bei
einigen Klienten schon auch drauf schauen, wenn ganz klar ist,
dass ein männlicher Betreuer her muss oder es geht mit einer
Frau besser. Dann muss man das schon irgendwie abstimmen,
sonst könnte die Betreuung scheitern. Wir schauen natürlich,
dass die Wohnungen unserer Klienten im Umkreis sind, bzw. mit
öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar, d.h. wenn jemand im
15. Bezirk wohnt, aber an der U3, dann ist das auch noch in
Ordnung, weil das dann unter Umständen auch schneller zu
erreichen ist als jemand im 11. Bezirk. Schwerpunkt ist natürlich
schon hier unser Umfeld im dritten Bezirk. Wir schauen uns
schon auch die Wegzeiten an, die zurückzulegen sind, sonst
wird von der Betreuungszeit zu viel weggeschnitten, wenn diese
Zeiten zu lange sind. Das ist ja dann auch unsinnig.
Die Klienten wenden sich über ihre Sachwalter an uns oder
kommen über die Sozialarbeiter vom Otto Wagner Spital zu
uns. Manchmal rufen aber auch Klienten selber an und sagen,
dass sie Betreuung haben möchten. Erst unlängst hat ein junger
Mann mit Lernbehinderung bei uns angefragt um ein Erst-
gespräch, weil er Betreuung sucht. Es haben auch nicht alle
Menschen, wenn sie bei uns anfragen, zwingend eine eigene
Wohnung. Ich übernehme jetzt einen Klienten, ein junger
Mann, der noch bei seiner Mama wohnt, und man kann dann
über die soziale Schiene eine Wohnung ansuchen und das
klappt auch meistens. Der Klient kann dann einziehen,
aber die Betreuung kann trotzdem schon vorher stattfinden.
Also eine Wohnung ist nicht Grundvoraussetzung für eine
Betreuung, sondern die Verfügung vom Fonds Soziales Wien.
In dem Fall hat der Sachwalter Kontakt aufgenommen, weil es
eben mit der Mutter nicht gut hinhaut, also ein junger Mann
der eher milieugeschädigt ist und er Gefahr läuft, dass er, der
als Einziger verdient, die Familie erhalten muss. Da ist es eben
gut, dass er auszieht. Und das ist auch der Fall, wenn die
Wohnung jetzt fertig ist.
Vom Wert einer Gesellschaft
In der Betreuung hat man schon einen guten Überblick,
was bei den Klienten so läuft, auch wenn man sie nicht den
ganzen Tag sieht. Aber man wird informiert, wenn der Mensch
auffällig wird, z.B. wenn es was in der Werkstatt gibt oder
wenn er mit der Polizei in Konflikt kommt oder wenn jemand in
ein Krankenhaus kommt, weil er eine psychische Krise hat.
Dann ruft das Krankenhaus bei uns an. Natürlich ist das alles
auch eine Vertrauenssache, man kriegt vieles vielleicht
zeitverzögert mit, aber man bekommt es mit.
Teilbetreutes Wohnen
1030 Wien, Geusaugasse 47/2-3 (Eingang Kübeckgasse)
Mag
a
. Martina Graf