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Der Soziologe Dr. Konrad Hofer hat im Rahmen der Studie
„Qualitative Erhebung der Zufriedenheit von Kundinnen und
Kunden der Auftakt GmbH“ alle Wohngemeinschaften besucht
und mittels teilnehmender Beobachtung seine Schlüsse gezogen.
Im folgenden Gespräch erläutert er seine Herangehensweise,
seinen Studien -Alltag und die Tücke des Objektes:
Bis jetzt habe ich mit Menschen mit Behinderung kaum etwas
zu tun gehabt. Das ist das Neue an dieser Arbeit. Ich habe
nur einmal in einem ähnlichen Bereich gearbeitet, wo es um
sozialpädagogische Einrichtungen gegangen ist. Da waren
auch Wohngemeinschaften dabei, da standen Jugendliche
bis 18 und die Arbeitsbedingungen der Betreuer im Mittelpunkt
des Forschungsinteresses. Da leben Jugendliche unterschied-
licher Problemlagen zusammen und da gibt es eine ähnliche
Dynamik wie in Wohngemeinschaften, wo Menschen mit
Behinderung betreut werden.
Die Gunst der Stunde
Teilnehmende Beobachtung ist die einzige Methode, um auch
die subjektive Zufriedenheit von nonverbalen Menschen in
die Untersuchung mit einzubeziehen, sie zu verstehen und
als Beobachter Rückschlüsse zu ziehen. Diese Rückschlüsse
müssen nicht immer richtig sein, aber ich habe den Eindruck
gewonnen, dass sich auch die Betreuerinnen und Betreuer
mit den Nonverbalen ein bisserl schwerer tun. Das führt auch
dazu, dass sie denen mehr vorgeben, was jetzt zu tun ist.
Was aber während des Forschungsprozesses sehr spannend
war: diese Leute sind sehr starke und eigene Persönlichkeiten.
Im ersten Augenblick machen sie das, was die Betreuerinnen
und Betreuer wollen, aber dann regeln sie die Dinge, wie es
ihnen gefällt. Sie können sich eben verbal nicht ausdrücken.
Eine Situation beschreibt das besonders gut: da hat eine
Bewohnerin ein neues Oberteil anziehen müssen, weil das
andere schmutzig war. Also hat die Betreuerin gesagt: das alte
geben wir jetzt in die Schmutzwäsche. Die Bewohnerin hat es
zur Schmutzwäsche getragen und hat das neue Oberteil
angezogen. Aber irgendwie hat das nicht zum Ensemble
dazugepasst. Da hat sie dann gewartet, bis die Betreuerin
draußen war und kaum war sie weg, ist sie schnell aufge-
standen, hat das neue Leiberl gegen das alte getauscht und
hat sich wieder brav hingesetzt. Der Betreuerin ist der Tausch
später nicht aufgefallen. Das war spannend und interessant.
Ich habe mir immer gedacht, die Autisten leben in einer ganz
eigenen Welt und bekommen nichts mit. Und dann habe ich
gesehen, dass sie sehr wohl sehr viel mitbekommen.
Da war zum Beispiel einer, der ist immer hin und herge-
gangen, rastlos, dann ist er wieder zum Tisch und hat dort
eine längere Meditationsübung gemacht. Dann ist die
Betreuerin aus der Küche raus und hat zu mir gesagt, ich soll
kurz aufpassen, denn normalerweise wird dort zugesperrt,
damit niemand hineingeht. Und dieser eine Bewohner, der
vorher seine Runde immer zur Terrasse hinaus gemacht hat,
ist plötzlich von seiner Tour abgewichen und ist sofort auf die
Küche zugesteuert und er hat mich ignoriert, wie ich ihm
gesagt habe, er soll dort nicht reingehen. Er hat sofort
überrissen, dass ich kein Betreuer bin und keine Schlüssel-
gewalt habe, hat sofort eingeschätzt, welche Rolle ich hier
spiele und hat das getan, was er wollte, er hat sich Essen
geholt und hat sich selbst bedient. Und ich habe mir gedacht,
das gibt es doch nicht, dass er das alles überreißt. Weil man
eben den Eindruck hat, er ist in einer eigenen Welt. Aber das
ist eben genau der Punkt: nachdem sie sich verbal nicht
äußern können, haben sie eine Technik entwickelt, um solche
Situationen auszunutzen, es gilt sozusagen, die Gunst der
Stunde zu nutzen. Sie können sich verbal nicht mitteilen und
können nicht sagen: ich will das und das. Sie müssen auf eine
günstige Gelegenheit warten, um es zu tun!
Von Nähe und Distanz
Wie kann man mit solchen nonverbalen Leuten kommunizie-
ren, wie wertet man ihr Verhalten? In gewissen Situationen
durch Mimik und Gestik: zum Beispiel haben einige meine
Hand genommen und mir gedeutet, ich soll sie ins Bett brin-
gen. Die Betreuer haben mir dann gesagt, das ist eine große
Auszeichnung, denn das dürfen nur bestimmte Leute, weil das
doch eine intime Geschichte ist und da lassen sie nicht alle
ran. Diese Auszeichnung hat mir gezeigt, dass ich einen Draht
zu den Leuten gefunden habe. Da war zum Beispiel auch
eine junge Frau, die sollte viel Wasser trinken. Sie ist auf der
Couch gesessen und der Betreuer hat ihr das Glas hingestellt
und hat gesagt: „Trink das bitte!” Und sie ist dort gesessen und
hat TV geschaut. Ich habe mich zu ihr gesetzt, habe mir auch
ein Glas Wasser geholt, habe ihr zugeprostet und dann hat sie
automatisch zu ihrem Glas gegriffen und hat getrunken.
Und so haben wir auf diese Art und Weise zwei, drei Gläser
geleert, was natürlich sehr gut war. Die Flüssigkeitsbilanz war
an diesem Tag in Ordnung und der Betreuer war auch
zufrieden. Dann habe ich ihr ein wenig den Rücken massiert.
Und da hat der Betreuer zu mir gesagt, „wir sind keine Kuschel
– WG”. Ich hatte aber das Gefühl, dass ihr das Massieren
gefällt. Die Bewohnerin ist dann auch aktiv geworden,
Teilnehmende Beobachtung
Dr. Konrad Hofer
Soziologe
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