Jahresbericht 2013 - page 23

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Die mit dem Kochdienst verbundene wichtige pädagogische Arbeit wird außer
Acht gelassen. Die Förderung der Autonomie und die Stärkung der Ressourcen
sind wichtige pädagogische Aufgaben einer professionellen Betreuungsarbeit.
Beim Einkaufen, Kochen, Wäschewaschen und bei der Zimmerordnung kann die
Autonomie der BewohnerInnen meist gut gefördert werden.
Das wichtige Ziel die Selbstständigkeit der BewohnerInnen zu fördern kann nur
erreicht werden, wenn gleichzeitig dort Hilfe angeboten wird, wo Hilfe notwendig
ist. Bei jedem der angeführten alltäglichen Aktivitäten gibt es kleine und größere
Anteile, die von den BewohnerInnen bewältigt werden können. Dass Herr A. an
dem Tag, an dem er Kochdienst hat, außer einen Kochvorschlag zu äußern, nichts
beiträgt, entspricht nicht der angesprochenen pädagogischen Zielsetzung. Im Üb-
rigen gab es an diesem Tag „Frankfurter mit Erdäpfelsalat“, wobei der Salat fertig
im Supermarkt gekauft wurde.
Aus dem Protokoll: „Eigentlich sollte Frau A., die heute Kochdienst hat und beim
Einkaufen dabei gewesen ist, den Tisch decken. Frau R. übernimmt diese Aufgabe
und schafft es immerhin zwei Teller zum Tisch zu bringen. Danach verliert sie das
Interesse. Vor vier Jahren schaffte es Frau R. noch, allerdings unter engagierter
Anleitung, den Tisch komplett zu decken. Auch heute wäre die Mithilfe von Frau
A. gefordert, doch diese weigert sich beim Einräumen der Lebensmittel behilflich
zu sein und sie hat auch keine Lust, beim Kochen mitzumachen. Die Betreuungs-
person unternimmt keinen Versuch, sie dennoch zu motivieren.“
Zur gleichen Zeit räumt in einem anderen Teil der WG ein Betreuer die getrockne-
ten und zusammengelegten Kleider von Herrn F. in den Kasten. Auf meine Frage,
warum er das alleine macht, sagt er: „Herrn F. einzubinden bringt nichts, weil er
die zusammengelegte Wäsche wieder zu einem Knäul macht und in die Fächer
schiebt. Das dauert dann länger, als wenn ich es mache.“
Diese Aussage wurde zu einem Zeitpunkt gemacht, als es in der WG sehr ruhig war
und von Hektik, die manchmal hochkommen kann, weit und breit nichts zu be-
merken war. Das Argument mit dem Zeitfaktor entbehrte daher jeder Grundlage.
Der Hinweis mit dem Wäscheeinräumen führt zur nächsten täglichen Beschäfti-
gung, dem Wäschewaschen. Auch dabei gibt es eine Reihe von Gelegenheiten die
BewohnerInnen mit dieser Arbeit vertraut zu machen und dabei ihre Mitarbeit zu
fördern.
Frau R. macht beimWäschewaschen gerne mit. Das hat sich im Vergleich zu früher
nicht geändert. Auch beim Wäschewaschen zeigt sich das ähnliche Betreuungs-
muster. Diejenigen BewohnerInnen, die das gerne machen, werden eingebunden,
für die anderen wird alles von den Betreuungspersonen erledigt. Ein weiterer
Protokollausschnitt im Zusammenhang mit dem Tischdecken weist darauf hin:
„Herr F. deckt den Tisch perfekt auf. Er gibt zu den Tellern das Besteck und stellt
Trinkbecher sowie Saftkrüge auf den Tisch. Frau R. kann die Wartezeit zum Essen
besser überbrücken, wenn sie beim Kochen behilflich ist. Heute rührt sie mit dem
Kochlöffel das heiße Nudelwasser um. Die Betreuungsperson passt auf, dass sie
sich dabei nicht verbrüht.“
Insgesamt kommt es bei den täglichen Routinearbeiten eher zu zufälligen und
sporadischen Arbeitseinsätzen der BewohnerInnen, indem vor allem die Interes-
sierten gefördert und unterstützt werden, die schwer zu motivierenden Bewohne-
rInnen aber werden von ihren Aufgaben entbunden.
Förderung der Autonomie
Insgesamt sind trotz der angeführten Mängel die Weichen auf Förderung der Au-
tonomie der BewohnerInnen in der WG Sedlitzkygasse gestellt. Es gibt im WG-
Alltag verschiedene Aufgaben, die die einen BewohnerInnen besser und die an-
deren schlechter bewältigen. So schafft es zum Beispiel Frau A., ihre Jacke selbst
anzuziehen, was ihr große Freude bereitet. Nur bei den Stiefeln verwechselt sie
ab und zu links und rechts.
Frau R. ist im Bezug auf Kleidung ebenfalls sehr bestimmend und lässt sich dabei
von ihren persönlichen Vorlieben leiten. Alle anderen BewohnerInnen sind, was
das Anziehen betrifft, ebenfalls selbstständig. Bei Frau R. und bei Herrn F. müssen
nur die Hosenträger von den Betreuungspersonen befestigt werden.
Was bereits sehr gut funktioniert, ist auch das Abräumen des gebrauchten Ge-
schirrs. Ohne dass die BewohnerInnen ständig daran erinnert werden müssen,
bringen sie nach dem Essen das Geschirr zum Spüler und stellen es dort ab.
Auch beim Frühstück wird das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ angewandt. Diejeni-
gen BewohnerInnen, die sich selbst bedienen können, machen das. Den anderen
wird je nach Bedarf Unterstützung gegeben.
Die Förderung der Selbstständigkeit zeigt sich besonders deutlich bei der Öffnung
der Küche und beim Aufstellen eines Kühlschranks. Die Kaffeekanne wird, wenn
sie leer ist, von einigen BewohnerInnen selbstständig wieder gefüllt. Herr F. kann
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