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betreuen wir viele Menschen, die will niemand anderer mehr.
Wir haben erst zweimal einen Wechsel gehabt in der
Betreuung, weil da die Betreuung wirklich nicht mehr
gepasst hat. Das waren zwei Menschen mit autistischen
Wahrnehmungsstörungen. Dem einen war es im Bezirk ganz
einfach zu laut. Jedes Mal, wenn die Straßenbahn vorbei
gefahren ist, hat er sich geschlagen. In den Fahrtendienst
wollte er auch nicht mehr steigen. Und der ist jetzt z.B. in
Mariensee und dort geht es ihm gut. Da muss er nicht mehr
in den Fahrtendienst steigen, da muss er nicht mehr durch die
Stadt, ruhig ist es dort, da ist für ihn alles in Ordnung. Und bei
der zweiten Autistin war das ein ähnlich gelagerter Fall.
Es kann auch sein, dass die Eltern unzufrieden sind. Das ist
uns aber erst einmal passiert. Sonst haben wir von Eltern oder
Sachwaltern keine negativen Kommentare gehört. Wenn der
Klient einmal eingezogen ist, habe ich dann kaum noch
Kontakt zu Eltern oder Sachwaltern, außer im Krisenfall.
Wachsende Zettelwirtschaft
So wie wir jetzt da stehen, bin ich sehr zufrieden, auch dass
eine Größe erreicht wurde, wo man vernünftig wirtschaften
und arbeiten kann. Was mich in den letzten Jahren allerdings
zu stören beginnt - und ich weiß nicht in welche Richtung das
führt -, dass formale Einschränkungen und Verwaltungs-
vorgaben so viel mehr werden, dass mich das richtiggehend
ärgert. Es wird den Wohngemeinschaften ähnlich gehen.
Damit ist gemeint, dass man immer mehr und viel genauer
dokumentieren muss, um auf Knopfdruck alle Daten abrufen zu
können. Das bedeutet administrativen Mehraufwand, also
Mehraufwand intern, aber auch nach außen. Auch der
Papierkrieg mit dem Fonds Soziales Wien wird täglich mehr
und da denke ich mir wirklich manchmal an manchen Tagen,
jetzt bin ich schon die Obersekretärin und nur mehr beschäftigt
mit einer Unmenge Zetteln, denn Bewilligungen werden prinzi-
piell nur mehr befristet ausgestellt. Und da müssen wir bei all
unseren Klienten im Auge haben: darf man den oder die heute
noch betreuen oder ist die Bewilligung schon abgelaufen oder
wann läuft sie ab, damit man ja nicht vergisst, wieder rechtzei-
tig anzusuchen.
Und dadurch, dass auch das immer eine straffere Struktur
bekommt, sind einzeln ausverhandelte Lösungen, wie das
früher durchaus möglich und auch sinnvoll war, viel schwerer
und aufwändiger möglich. Ein Beispiel von früher: wir haben
für einen Klienten sinnvollerweise eine Tagesstruktur bei uns
ausgehandelt, obwohl wir normalerweise keine Tagesstruktur
anbieten, dass er also bei den Hausarbeitern mitarbeiten darf
unter dem Titel Beschäftigungstherapie und wir das auch
bezahlt bekommen, obwohl wir keine Werkstatt haben.
Das war vor einigen Jahren möglich. Wenn wir das jetzt alle
paar Jahre verlängern wollen, können neue Mitarbeiter,
die im Fonds Soziales Wien schon in diesen engen Strukturen
arbeiten, das überhaupt nicht verstehen, dass es sowas gibt.
Wenn ich mir meine Arbeitszeit ansehe, dann geht es schon
fast zu 90% um die Verwaltung von irgendwelchen Zetteln und
irgendwelchen Daten. Jetzt werden zum Beispiel zentrale
Vormerklisten eingeführt vom Fonds Soziales Wien, was ich
ja prinzipiell sehr gescheit finde und an ihrer Stelle würde ich
das auch tun. Wenn jemand bei mir anruft und einen Platz
sucht, muss ich das bei ihnen an einer zentralen Stelle
eingeben, mit allen positiven und negativen Effekten.
Denn auf der einen Seite soll ich das, was bei mir reinkommt,
ihnen sofort mitteilen. Da habe ich online einen Zugang.
Sie können aber auch auf der anderen Seite sofort nachschau-
en und zum Beispiel sagen: Ihr habt ja da einen Platz frei,
wieso steht der dann noch auf der Vormerkliste? Wieso habt
ihr den nicht sofort genommen?
Es ist eben komplizierter. Ein Platz muss passen, weil’s nicht
egal ist, wer wo wohnt und wer wo betreut wird. Auch wenn
ich viele Vormerkungen habe, die aber gerade für diese
Wohngemeinschaft nicht passen, dann will ich den Platz frei
halten, selbst wenn das verrechnungstechnisch für uns nicht gut
ist. Aber ich weiß z.B., dass in einem Monat einer kommt, der
super in die Wohngemeinschaft passt. Und da muss ich
irgendwie durch: was ist für uns noch wirtschaftlich vertretbar
und womit sprenge ich eine Wohngemeinschaft, wenn ich
sage, den oder den müsst ihr nehmen. Die Entscheidung wie
in einer Wohngemeinschaft nachbesetzt wird, liegt bei mir und
der pädagogischen Leitung.
Auch wenn klug durchdacht nachbesetzt wird, Probleme gibt
es immer wieder. Aus den Wohngemeinschafts -Teams gibt es
immer wieder die Forderung, dass sie entscheiden wollen, wer
zu ihnen kommt. Das kann aber so nicht passieren.
Das erweckt oft Unzufriedenheit. Das stößt durchaus auch auf
mein Verständnis, denn schließlich hab ich mich früher auch
mal in dieser Position befunden. Und generelles Verständnis
erwächst in der Kenntnis der verschiedenen Teamkulturen.
Wenn der Klient, der sich aus der WG verabschiedet, ein
ruhiger netter Mensch war und die Nachbesetzung nun ein
Mensch ist, der mehr fordert, dann ist das schon verständlich,
dass das Team fürs erste nicht zufrieden ist. Ich wünsche mir
weiterhin die Risikobereitschaft und den Elan der Teams mit
etwas schwierigeren Menschen zu arbeiten. Das ist das
Markenzeichen von Auftakt und wir bekommen vom Fonds
Soziales Wien immer wieder Leute geschickt, die schwierig
sind, weil wir den Ruf haben, mit diesen Menschen gut
umgehen zu können. Und das können wir auch. Wir haben
wirklich einzelne Klienten, die haben eine Wiengeschichte,
die kennt wirklich jede Organisation in Wien und nach einiger
Zeit geht es ihnen dann bei uns gut und sie sind auch betreu-
bar. Man muss bei vielen nur wollen und können. Aber sicher
stoßen wir bei einigen in unseren Strukturen in der Stadt auch
an unsere Grenzen des Machbaren.
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