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Die Ankunft
Mein Grundstudium ist ein Lehramtstudium: Deutsch, Geschichte,
Pädagogik. Ich habe während des Studiums auch schon viel
gearbeitet, unter anderem auch als Behindertenbetreuer in einer
Wohngemeinschaft und dann als sogenannter Koordinator.
Nach meinem Studium habe ich viel in der Sozialarbeit getan,
also mit Jugendlichen, Arbeitslosen, Haftentlassenen usw., quer
durch den Sozialbereich, so auch als Leiter von Ferienheimen
mit 150 Kindern im Sommer, zum Teil auch mit relativ schwieri-
gen Jugendlichen. Während meiner Tätigkeit als Lehrer in der
Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik habe ich immer den
Wunsch gehabt, mich umzuschauen, was es sonst noch
Interessantes gäbe, weil die Schulstrukturen doch sehr starr sind.
Hannes und Herwig haben mich dann einmal gefragt, ob es
mich nicht interessieren würde wieder in einer Behinderten-
organisation zu arbeiten. Und da bin ich dann dort auch eine
Zeit lang als Wohnverbundsleiter tätig gewesen. Dann stand
auch zur Debatte die pädagogische Leitung zu machen.
Da hatte ich auch schon den Lehrgang für Sozialmanagement
abgeschlossen, den ich berufsbegleitend gemacht habe. Dann
habe ich diesen Job auch übernommen und die pädagogische
Leitung gemacht. Die Vorstellungen innerhalb der Geschäfts-
leitung waren allerdings sehr unterschiedlich, und das wollte ich
auf Dauer so nicht mittragen. Und mit Herwig hatte ich ja immer
persönlichen Kontakt. Da hat er mir dann gesagt, dass sie bei
Auftakt noch jemand bräuchten, weil drei neue Wohn-
gemeinschaften ins Haus gestanden sind, und mit meinem
Wunsch nach Veränderung hab ich dann ja gesagt.
Ein Fossil
Zu meinem Arbeitsbereich muss man ein wenig ausholen, denn
vor 20 Jahren bei der Gründung der ersten Wohngemeinschaft
war die Pädagogik doch ein ganz wesentlicher Aspekt in der
Betreuungsarbeit im Behindertenbereich. Das Motto war:
weg von diesen Heimstrukturen, weg von den Krankenhaus-
strukturen, wir wollen wirklich im Sinne der persönlichen
Weiterentwicklung der Leute arbeiten. Mit den Schlagworten
Integration, Normalisierung wollte man auch wirklich einen
Schritt setzen, Menschen, die oft Jahrzehnte vorher ganz isoliert
irgendwo gewohnt und gelebt haben, die Möglichkeit zu
geben, am gesellschaftlichen Leben Anteil zu nehmen. Damals
war der Begriff pädagogische Leitung noch eine klare Vorgabe
im Sinne dessen, dass man sagte, für diesen inhaltlichen Bereich
braucht man jemanden, der darauf schaut, dass Pädagogik im
Alltag ihren Stellenwert hat. Das hieß im Wesentlichen an der
Konzepterstellung arbeiten, schauen, dass die Individual-
konzepte passen, an den persönlichen Lernfortschritten arbeiten.
Inzwischen haben sich – und das ist ja der berühmte
Paradigmenwechsel in der Behindertenarbeit – die inhaltlichen
Aspekte im Wesentlichen gar nicht so sehr verändert, wie der
formale Zugang dazu. Das heißt, das Wort Pädagogik ist
zunehmend verschwunden aus dem Bereich der Behinderten-
arbeit. Von einer kritischen Haltung gegenüber der Schul-
pädagogik her kommend ist das auch nachvollziehbar.
Dort geht es um Kinder oder noch nicht erwachsene Menschen
und die brauchen da noch irgendwie spezielle Anleitung, meint
man. In unserer Arbeit betreuen wir Erwachsene und versuchen
auch, ihnen als Erwachsene zu begegnen, egal, wie weit sie
in ihrer geistigen oder Lernkompetenz sind. Das hat ja auch
was Positives, nämlich die betroffenen Bewohnerinnen und
Bewohner, Klientinnen und Klienten verstärkt als Kundinnen und
Kunden einer Dienstleistung zu sehen, auch wenn dieser Begriff
sehr problematisch ist. Wir erbringen Dienstleistungen für
Menschen, die einen Anspruch haben, die einen Bedarf haben
- gut. Und diese Dienstleistungen sind im Wesentlichen natürlich
auch ganz alltägliche Dienstleistungen, Leistungen, die unter-
stützend sind oder sogar ersetzend im Sinne der Versorgung
mit Essen und Wohnmöglichkeit etc. Der Aspekt des Lernens,
der persönlichen Weiterentwicklung ist scheinbar nur mehr ein
kleiner Teil dieses Spektrums.
Zusammengefasst heißt das, es gibt ein Spektrum an Dienst-
leistungen, die zu erbringen sind, und die Pädagogik ist nur
eine davon. Wenn man es explizit sieht. Wenn man es implizit
sieht, ist jede Leistung, die erbracht wird in unserer Arbeit natür-
lich auch in dem Sinne eine pädagogische, indem man
versucht, innerhalb der gesamten Leistungserbringung immer den
Aspekt der Entwicklungsmöglichkeiten mit zu denken. Ich kann
jemandem beim Duschen helfen und ihn einfach waschen oder
ich kann jemandem beim Duschen helfen und dabei versuchen,
mit ihm zu üben, wie er es am besten selber tun könnte. Also
insofern ist auch bei einer ganz offensichtlichen pragmatisch zu
sehenden Dienstleistung ein pädagogischer Aspekt mit drin.
Gerade bei den Qualitätsstandards, die jetzt entwickelt wurden
im letzten Jahr von den Mitgliedern des Dachverbandes,
Auf der Suche nach Identitäten
Mag. Robert Winklehner
Pädagogischer Leiter, Gesellschafter
Es gibt keinen Grund dafür, warum es unvernünftig sein sollte zu denken,
dass das eigentliche Wesen der Wirklichkeit darin besteht, ständig neu konstruiert zu werden. (Piaget)
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