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Chance hätten. Ich war bei den ersten, die mit HIV - positiven
geistig behinderten Menschen gearbeitet haben. Wir haben
auch beispielweise Leute genommen, die innerhalb von drei
Monaten aus vier anderen Einrichtungen rausgeflogen sind.
Und diese Klientin, an die ich jetzt denke, wohnt heute noch in
der Einrichtung. Das sind dann meine Erfolgserlebnisse! Und
natürlich auch, wenn in irgendwelchen Gremien jemand sagt,
„dann soll das halt Auftakt machen!“ Wenn also keiner mehr
weiß, wie und wo es weitergeht, dann denkt man schon immer
wieder an uns.
Spannungsfeld Wohnen -Arbeiten
Meine Vorstellung anno 1999 war ein wenig anders. Wir wollten
damals halbe/halbe: also 50 % vollbetreutes Wohnen und 50%
teilbetreutes Wohnen machen. Das ist nicht aufgegangen.
Obwohl wir einen hohen Durchgang haben von Leuten, die bei
uns zuerst vollbetreut wohnten und dann auf teilbetreute
Wohnplätze, also ein ambulantes Betreuungssystem, gewechselt
sind. Da konnten wir durchaus herzeigbare Ergebnisse liefern.
Wir haben es aber nicht geschafft, diese beiden Bereiche etwa
gleich groß zu halten. Was wir auch nie realisiert haben, obwohl
wir einige Zeit mit einem solchen Konzept beschäftigt waren, ist
eine eigene Werkstatt oder einfach nur eine Tagesstruktur, da war
unser Konzept zu teuer. Wir haben von Anfang an gesagt, dass
eine Tagesstruktur nicht unsere Priorität ist. Denn genau die
Spannung zwischen Wohnen und Arbeiten, wenn man das alles
aus einer Hand anbietet, führt zu Spannungen im internen Ablauf
einer Organisation, da müssten wir dann immer Kompromisse mit
uns selbst machen. Grundsätzlich können wir schon sagen, dass
die Tagesstrukturversorgung bei uns in Wien in Ordnung ist.
Derzeit haben bis auf zwei Klienten alle eine Tagesstruktur. Da
interessieren mich nicht die 100, die eine Tagesstruktur haben,
sondern es interessieren mich die zwei, die keine haben und
warum haben sie keine und was müsste man schaffen, damit sie
eine haben. Das ist dann das Spannende!
Wenn ich Statistiken präsentiert bekomme, wie viel hundert
Menschen mit Behinderungen im Jahr die Werkstätte wechseln
können in Wien, dann klingt das schon recht gut, aber ich
behaupte, da gibt es doch einige, die können nicht wechseln,
sondern sie müssen wechseln. Für die es gibt kein Angebot. Wir
haben Leute gehabt, die haben in einem Jahr drei Werkstätten-
plätze verbraucht. Wenn man dann das so verkauft, dass das
ein Ausdruck der hohen Flexibilität in der Tagesstruktur ist, dann
bin ich unterschiedlich glücklich mit dieser Interpretation. Da
können sich dann heftige Diskussionen entwickeln. Ich glaube,
wir betreuen sicher viele, die in normalen Tagesstrukturen oder in
den intensiv betreuten Tagesstrukturbereich nicht auffallen. Und
das ist auch gut so! Aber es gibt ein paar wenige, die sind
völlig falsch untergebracht in der derzeitigen Tagesstruktur, für die
bräuchte man ganz was anderes, nämlich nicht nur im Sinne von
Versorgen und irgendwo tagesmäßig betreuen.
Wenn man Förderung wirklich ernst nimmt und sagt, man will
mehr erreichen, dann muss das anders ausschauen! Wenn ich
mir anschaue, welche Leute bei uns im Wohnen betreut werden
und überschaubare Probleme schaffen und die dann immer wie-
der in der Tagesstruktur vor der Türe sitzen, dann denke ich mir,
das kann nicht nur am behinderten Menschen liegen, da muss es
schon auch ein strukturelles Problem geben. Da denke ich mir, es
gäbe da schon andere Konzepte, die man durchaus realisieren
könnte. Da aber derzeit keiner wirklich Lust hat das zu tun, bezie-
hungsweise die Bereitschaft so etwas zu finanzieren eine enden
wollende ist, wird sich nicht so schnell was ändern.
Wir haben vor längerer Zeit ein Konzept dem Fonds Soziales
Wien angeboten, da was zu machen. Das war ein Hochpreis-
angebot. Das hat es in der Form noch nie in Wien und vermut-
lich auch in Österreich noch nicht gegeben. Für uns war das der
Verhandlungseinstieg. Auf der anderen Seite ist das offensichtlich
als Endergebnis verstanden worden. Dann hat man versucht, uns
„auf zu machen“ und unsere Fachlichkeit hinterfragt. Uns wurde
dann erklärt, warum das alles nicht geht und was wir alles nicht
berücksichtigt haben und so weiter. Da haben wir unser Angebot
wieder zurück gezogen. Auch da muss ich wieder sagen: wir
sind Dienstleister und wenn man eine Dienstleistung so nicht
haben will, dann will man sie eben nicht haben und es gibt sie
nicht. Was aber bei der ganzen Geschichte nett ist, dass mir
Monate später signalisiert wurde, vielleicht doch noch darauf
zurückzukommen. Es scheint also das Konzept schon irgendwo
gesickert zu sein und auch auf fruchtbaren Boden gefallen zu
sein, aber die politischen Zwänge sind dann halt oft andere.
Finanziell kann ja ganz schnell was abgedreht werden, aber
inhaltlich war das Konzept - so glauben wir - hieb- und stichfest.
Aber das war halt hier zu der Zeit nicht gewollt.
Wir haben uns auch einmal überlegt, eine Einrichtung zu
machen, die als Kriseneinrichtung gelten könnte, wenn Betreuung
im sozialen Wohnbau in Wien wirklich nicht mehr geht. Dass
man das in einem geschützten Rahmen machen kann, der viel-
leicht in Niederösterreich oder sonst wo ist. Aber da habe ich
noch nicht einmal den Satz zu Ende gesprochen, war das schon
abgelehnt, weil ins Bundesland wird kein Geld investiert.
Zukunftsmusik
Die angepeilte Größe haben wir jetzt erreicht! Es kann schon
sein, dass das eine oder andere Objekt noch bei der Türe her-
einkommt, das einfach spannend ist und eine große Heraus-
forderung beziehungsweise eine inhaltliche Ergänzung sein
könnte und wir das wollen. Wir haben aber in den letzten
Jahren vor allem das Finetuning von Auftakt forciert. Das hat
damit angefangen, dass wir uns unser Qualitätsmanagement -
System freiwillig auferlegt haben. Das war für uns sehr viel
Organisationsaufwand, aber wir glauben, dass es sinnvoll und
wichtig ist, dass auch jeder weiß, was er zu tun hat und wie er
es zu tun hat. Wir sind seit Dezember 2008 ISO -zertifiziert.