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wird: Wir wollen künftig Partnerorganisationen, die eine
Bestätigung dafür haben, dass die Organisation gut und
effektiv arbeitet. Das Ergebnis ist bekannt: Qualitätsmanagement
statt Visionen. Das hat dann Susanne übernommen und ich
die pädagogische Leitung.
Ab diesem Zeitpunkt hat sich etwas verändert. Durch das
Qualitätsmanagement sind die Dinge strukturierter geworden,
auch durch den Versuch abzugrenzen, wer tut was und wie.
Früher war ich als pädagogischer Leiter der Ansprechpartner für
alle mit allen Problemchen von der Personal- bis zur
Klientenbetreuung. Aber das war ohnehin zu viel.
Und dann ein Ringen, bis das alles geklärt war. Inzwischen ist
hoffentlich auch für alle klarer, an wen wende ich mich womit.
Für mich war das einerseits eine Arbeitsentlastung, andererseits
aber auch ein Verlust an Überblick. Ich weiß heute ganz einfach
weniger. Es werden z.B. neue MitarbeiterInnen eingestellt und
ich lerne sie im Gegensatz zu früher vielleicht manchmal erst
kennen, wenn ich in der Wohngemeinschaft bin. Einen wesent-
lichen Einfluss auf die Teamsituation habe ich damit nicht mehr.
Das ist ein Verlust, denn die direkte Einflussnahme auf die Arbeit
in den Wohngemeinschaften erfolgt über die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter – das ist ein ganz wesentlicher Faktor.
So kämpfe ich mit mir noch immer darum: „Bin ich jetzt
zufrieden mit dem, wie es läuft, oder nicht?“ Einerseits sage ich
ja, weil ich auch mehr Zeit habe, mich konzeptionellen Dingen
zu widmen und inhaltlich zu arbeiten und andererseits aber
auch wieder nicht, weil ich das Gefühl habe, es verliert sich
zu stark für mich.
Bei den Klientinnen und Klienten ist das anders, weil ich ja mit
Gabi, die für diesen Bereich zuständig ist, in einem Büro sitze.
Wenn bei ihr Anfragen reinkommen oder potentielle KundInnen,
die bei uns einziehen könnten, beginnt es mit einer informellen
Absprache. Dann bittet sie mich meist um eine Ersteinschätzung
auf Grund des ersten Sehens bis hin zur Überlegung, welche
Wohngemeinschaft für die Person wirklich gut passen könnte.
Und so machen wir die KundInnenaufnahme parallel: sie macht
die de -facto -Arbeit mit den neuen KlientInnen und ich eher die
Begleitung des Einzugs über das Team. Und wenn die Leute
dann eingezogen sind, dann ist es ohnehin mein Job zu schau-
en, ob und wie die Betreuung läuft. Und detto bei Krisen: da
machen wir das auch gut gemeinsam. Da kommt es meistens
von mir, dass ich sage, du wir haben da ein Problem.
Dann versucht sie aktiv zu werden: Gibt es alternative
Platzangebote intern, extern, was könnte man noch an
Finanzierungsressourcen aufstellen etc.? Da schauen wir schon,
eine optimale Form oder Lösung zu finden, auch wenn es für
die Auftakt GmbH wirtschaftlich vielleicht ein Nachteil ist.
Welches Kapperl habe Ich denn nun auf?
Bei meinem Einstieg war die Organisationsform für mich nicht so
entscheidend, weil ich ja nicht als Gesellschafter eingestiegen
bin, obwohl dies von Anfang an eine Option war. Zu Beginn
war ich einfach „nur“ angestellt. Dann tauchte die Frage, ob ich
Gesellschafter werden wolle, konkret auf. Ich war am Anfang
ein wenig skeptisch, ob das gehen kann als pädagogischer
Leiter und Ansprechpartner für die Leiterinnen und Leiter, ob man
dann als Gesellschafter nicht auch den Nachteil hat, dass man
gleich als Miteigentümer gesehen wird.
Überzeugt hat mich das Argument: Tun wir einmal und schauen
dann wie es wird. Das ist schon auch eine Stärke von Auftakt,
dass wir sagen können, wir beschließen das jetzt, weil uns das
gescheit und sinnvoll erscheint, das heißt aber nicht, dass das
betoniert ist für alle Zeiten, sondern es gibt immer die
Möglichkeit nach einer Zeit des Beobachtens und
Anschauens wieder zu verändern. Diese Flexibilität ist eine
Stärke, die ich sehr schätze.
Die Idee, als Gesellschafter tätig zu sein und damit auch strate-
gische Entscheidungen zu treffen, das fand und finde ich
ja schon faszinierend und gut. Man muss halt nur immer klar
haben, wie ein Coach auch einmal gesagt hat, wann wir
Gesellschafter und wann wir leitende Angestellte sind. Zum
Beispiel die einen mit den grünen und die anderen mit den
blauen Kapperln, die blauen für die Gesellschafter und die
grünen für die leitenden Angestellten. So - und dann musst auf-
passen, wann du welches aufhast, um Entscheidungen treffen
zu können. Das hat ein wenig gedauert, aber jetzt haben wir
das ganz gut auf der Reihe. Einmal im Jahr gibt es eine
Gesellschafter -Klausur, die ist speziell dem Thema Strategie-
und Grundsatzentscheidungen gewidmet.
Aufbruch aus der Schrebergartensiedlung
Wie ich angefangen habe in der Wohngemeinschaftsarbeit,
da war diese Aufbruchsstimmung, wir machen was ganz
Neues, aber gleichzeitig hatten wir das Gefühl, wie viel Zeit
und Geld wir dafür brauchen ist eigentlich egal. Die erste
Wohngemeinschaft, in der ich gearbeitet habe, war für fünf
KlientInnen, also eine Größenordnung, die man nicht
wirtschaftlich führen kann.
Heute gibt es den Fonds Soziales Wien: da ist eine Gruppe
von Menschen am Werk, die auch mit einem Auftrag der
Gemeinde Wien ausgestattet ist, die sagt: schaut‘s d’rauf, wie
die Steuergelder verwendet werden. Da hieß es am Anfang:
der Behindertenbereich ist wie eine Schrebergartensiedlung,
überall ist was gewachsen, alles frisch und bunt, aber völlig
unüberschaubar. Man weiß überhaupt nicht mehr, was wo wie
gemacht wird. Das geht nicht, wenn es um öffentliche Gelder
geht. Daher kommt immer stärker der Druck, rechtfertigt, was ihr
tut, belegt die Leistungen, dokumentiert entsprechend, wir wollen
das auch kontrollieren können etc. Zuerst ist viel darüber gespro-
chen worden. Aber in den letzten Jahren hat sich herausgestellt,
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