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Grundsätzlich bin ich Quereinsteiger in den Sozialbereich.
Begonnen habe ich mit einer Lehre als Chemielaborant, dann
habe ich eine Ausbildung zum Erzieher in der Bildungsanstalt für
Erzieher der Diözese Innsbruck gemacht, anschließend bin ich
dann nach Wien übersiedelt, um bei einem großen Träger in
Wien zu arbeiten. Der hat damals Wohnhäuser mit vollbetreutem
Wohnen angeboten. Dort war ich sozusagen der „Versuchsmann“
im Wohnbereich. Die Angst davor, dass Männer und Frauen allei-
ne im Dienst unter Umständen die Arbeit nicht als Mittelpunkt der
täglichen Erfüllung sehen, war vom Dienstgeber schon da, und
meine katholische Privatausbildung war offensichtlich Gewähr
genug, dass ich der richtige Mann sein könnte. Nach vier Jahren
bin ich gegangen, kurz nachdem ich die Leitung des Hauses
übernommen hatte.
Vom Verein zur GmbH
Mir sind dann bei der Arbeitssuche doppelt sinnesbehinderte
Erwachsene sozusagen über den Weg gelaufen. In einem Inserat
habe ich gelesen, dass es eine Stelle gibt für etwas ganz Neues.
Klang zunächst mal alles dubios. Das hat mich dann doch interes-
siert nach dem Motto „jetzt habe ich Zeit – und wenn ich es jetzt
nicht mache, dann mache ich es nie mehr“. Vorstellen habe ich
mir das auch nicht können, wie denn mit doppelt Sinnesbehinder-
ten, also hör- und sehbehinderten Erwachsenen, gearbeitet werden
kann. Es war dann aber ganz faszinierend und hat auch ziemlich
viel Spaß gemacht. Ich war der erste Mitarbeiter und wie ich
nach14 Jahren weggegangen bin waren es so in der Größenord-
nung von 230 Mitarbeiter und ungefähr gleich viel Betreuungs-
plätze mit Wohnen und Arbeiten plus Fahrtendienst. Irgendwann
hat es dann geendet. Ich habe mir gedacht, jetzt ist es vorbei mit
der Behindertenarbeit, ich mag in dem Bereich nichts mehr tun.
Ich bin dann aber gefragt worden, ob ich das Knowhow, das
ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe, nicht irgendwie
wieder einbringen mag. Mein Kriterium war, dass das in einer
Nicht - Vereins - Konstruktion stattfinden muss. Von Vereins-
konstruktionen hatte ich die Nase gestrichen voll. Meine
Erfahrungen damit reichen mir noch für mehrere Jahre. Das Feine
war: Zu der Zeit damals waren gerade vier der fünf Gründer der
Auftakt GmbH aus verschiedenen Gründen ohne Job. Wir
hätten alle auch andere Möglichkeiten oder Optionen gehabt.
Und wie gesagt: das Feine war, wir wurden gefragt. Dadurch
sind sicher einige Dinge leichter gegangen. Wir haben in der
ARGE Wohnplätze gute Kontakte gehabt, und auch in der MA
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schon 20 Jahre in der Szene gearbeitet habe. Alle haben auch
gewusst, dass bei dem Träger, für den ich früher gearbeitet hatte,
einfach viel meine Handschrift trägt, inhaltlich und konzeptiv. Und
das ist noch immer unsere Stärke, dass wir inhaltlich ziemlich gut
positioniert sind.
Insofern war der Beginn nicht wirklich schwer. Es hat für mich eine
Vorlaufzeit von zwölf Monaten gegeben. Ich war ein Jahr lang
beschäftigt, um das Ganze vorzubereiten, sozusagen Geburtshilfe
zu leisten. Weil es uns möglich war, als gemeinnützige GmbH
etwas zu machen, hab ich mich nochmals darauf eingelassen.
Wir wollten selber sagen, was Sache ist und wo wir hinwollen,
wir wollten unsere eigenen Vorstellungen von zeitgemäßer
Behindertenarbeit in einer GmbH realisieren. Wir wollten den
Auftakt machen, denn wir haben gesagt, Behindertenarbeit ist ein
schwieriger Bereich in der Sozialarbeit und deswegen braucht es
auch da einen hochprofessionellen Zugang. Ich glaube, den
haben wir mit unserer Mischung der Berufe bei den
Gesellschafterinnen und Gesellschaftern gut abdecken können.
Noch einmal ein paar Jahre später haben wir dann gesagt, wir
wollen uns noch mehr Know - how hereinholen und haben dann
von fünf auf sieben Gesellschafter ausgeweitet.
Breite Wissensbasis
Die Arge Wohnplätze hatte ja den Auftrag 1600 Wohnplätze
zu schaffen und es waren ziemlich genau 100 Wohnplätze, die
noch nicht wirklich vergeben waren, wo noch niemand wusste,
wer es machen wird. Das war auch so die Größenordnung, die
wir uns vorgestellt hatten. 100 Wohnplätze klang gut und das
wollten wir anbieten. Jetzt haben wir bald 110 Betreuungsplätze
im Angebot. Wir werden zwar teilweise auch kritisiert, dass wir
nicht die großen Expandierer und Beherrscher am Markt sein
wollen. Wir glauben aber, dass wir mit dem, was wir derzeit
machen, ein gutes Auslangen gefunden haben. Lieber klein und
fein. Wir verstehen uns in erster Linie als Dienstleister, wie‘s ja
auch im Namen steht. Dazu ist unsere Größe grad richtig. Alles
andere wollen wir eigentlich nicht. Es kann schon sein, dass es
noch eine Ausweitung unserer Tätigkeit da oder dort gibt, aber
dann mit „Auftakt 2” - einem neuen Träger halt - denn es darf
nicht sein, dass etwas Neues das Alte in Frage stellt oder
gefährden könnte.
Ich bin wahrscheinlich der, der das macht, was keiner machen
will. Früher habe ich gesagt – aber das wurde mir ausgetrieben
– dass ich mich eher als Trainer von dem Team verstehe, der
eben schaut, dass wir zu Höchstleistungen auflaufen, was schon
in vielen Fällen der Fall war und ist. Dieses Bild passt aber nicht
mehr, weil wir sind ja nicht in einem sportlichen Wettkampf, son-
dern in einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Also grundsätzlich
Geht nicht, gibt’s nicht!
Herwig Küng
Projektentwickler, geschäftsführender Gesellschafter
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