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verstehe ich mich als der, der ein wenig zündelt und anheizt und
ein wenig Gas gibt. Und es ist ja auch kein Zufall, dass mein
Bereich die neuen Projekte und Außenkontakte sind. Wenn wir
also wo vor Ort sein müssen, dann ist das meistens meine
Geschichte dort präsent zu sein, zu schauen, wo welche Trends
in welche Richtungen gehen. Dann wieder zurückzugehen in die
GmbH, um mit den anderen gemeinsam zu überlegen, wollen
wir da mitspielen, ist das interessant für uns oder lassen wir die
Finger davon, weil verbrennen können wir sie uns woanders
auch! Ganz formal bin ich einer von drei Geschäftsführern. Alle
Gesellschafter arbeiten mit, jeder in einem eigenen Bereich. Wir
haben ja auch versucht, alle Leute an diese Positionen zu setzen,
in Bereiche, die sie gut können. Beispiele: Hannes kommt aus
dem technischen Bereich und kümmert sich jetzt entsprechend um
Facility - Management. Robert, der ein geborener Pädagoge ist,
macht die pädagogische Leitung. Irene, die neben ihrem
Psychologiestudium auch eine Personalentwickler - Ausbildung
hat, macht eben das Personalmanagement. Gabi als Heil- und
Sonderpädagogin macht die KundInnenbetreuung, Markus hat
alle WIFI - Seminare für das Finanz- und Rechnungswesen
absolviert und leitet das Resort und Susanne hat sich zur
Qualitätsbeauftragten fortbilden lassen. Als wir von fünf auf
sieben Gesellschafter aufgestockt haben: da waren das eben
Robert und Markus, damit diese Bereiche auch noch gut abge-
deckt sind. Damit ist die Verantwortung auch breiter gefächert.
Was ich nie aushalten würde ist, dass das Wissen zu konzen-
triert bei einem von uns ist. Dass der Ausfall von Wissen eine
Gefährdung des Projektes bedeutet, würde ich nicht wollen.
Es war mir auch immer wichtig, dass keiner Fulltime bei
Auftakt arbeitet, dass auch Platz für Luft im Hirn bleibt, um
was anderes zu tun. Ich würde mich wehren, wenn einzelne
Gesellschafterinnen wegen der Größe stundenmäßig aufstocken
müssten. Ich würde es lieber sehen, wenn es organisierbar ist,
dass wir uns noch breiter aufstellen. Und dann behaupte ich,
dass wir für jede Funktion ein Backup haben, wo immer einer
relativ nahtlos einsteigen kann und weitertun kann. Das hat zwar
einen hohen Koordinierungs- und Besprechungsbedarf. Aber das
ist auf Grund der Eigentümerbreite notwendig, dass jeder weiß,
was Sache ist. Denn keiner hat gerne, dass über sein Geld ent-
schieden wird ohne dass er weiß, was entschieden wird. Und
das passt für uns ganz gut.
Von Visionen und 0815 - Geschichten
Natürlich gibt es auch Problemzonen in den Schnittstellen. Denn
jeder glaubt, dass sein Bereich der Wichtigste ist, und subjektiv
stimmt das auch zu 100 %. Es gibt schon immer wieder einen
Disput, wenn z.B. der Wirtschafter kommt und sagt, das können
wir uns nicht leisten oder der Pädagoge sagt, er braucht mehr
Betreuungsstunden und die Personalreferentin sagt, ich habe aber
niemanden. Da kommen wir schon in Diskussionen rein. Und
wenn dann noch die „Qualitäterin“ kommt und meint: in unserem
Handbuch steht das doch ganz anders! Dann kann es schon ein-
mal zu unterhaltsamen Diskussionen kommen. Aber nach neun
Jahren kann ich sagen, dass wir das immer souverän ausdisku-
tiert haben. Es ist auch ganz wichtig, dass wir unsere Klausur-
tage abhalten einmal im Jahr, wo wir es auch einen Tag lang
bröseln lassen können. Dass aber dann auch nichts stehen bleibt,
gibt es immer einen Tag „zwei”, wo dann alles aufgearbeitet
wird. Das ist uns bis jetzt immer gelungen. Wir haben schon zeitig
bei der Gründung der GmbH die Rahmenbedingungen geklärt,
was ist, wenn überhaupt nichts mehr geht. Aber das ist derzeit
keine Diskussion. Rein theoretisch sind wir auch darauf vorbereitet.
Vranitzky hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, braucht einen
Psychiater! Den habe ich bis jetzt noch nicht gebraucht. Meine
Motivation damals, nochmals in so eine Geschichte einzustei-
gen, war das besondere Klientel, langzeithospitalisierte
Menschen, eher Schwerst - und Mehrfachbehinderte, großteils
mit psychiatrischer Karriere, teilweise mit multiplen Diagnosen,
Personen, wo keine Kommunikation da ist. Das war immer
etwas, was mich sehr interessiert hat und das hat dann begon-
nen auch die anderen zu interessieren. Mein Leitspruch ist – aber
das ist wahrscheinlich das Allemannische in mir: „Geht nicht,
gibt’s nicht!“ Das ist so meine Mentalität. Das, was zu tun ist, tun
wir jetzt, weil es gemacht gehört. Das hat mir immer am meisten
Spaß gemacht. Was mich nie interessiert hat, sind diese 0815 -
Geschichten, die Selbstläufer sozusagen. Der Systemerhalter bei
uns das bin nicht ich, da dürfen sich andere profilieren. Mich
interessiert etwas Neues zu machen. Und das war auch die
„Vision“: Leute begleiten zu können, zu assistieren, die sonst
eigentlich keine Chance hätten, in einer offenen Wohnform zu
wohnen. Ich glaube, dass uns das mit Leuten, die zu mehr als
50 –60 % PKH oder Otto Wagner Spital in ihrem Lebenslauf
stehen haben, gut gelungen ist. Die Sache mit dem Karree St.
Marx: das war sicher nicht von ungefähr, dass wir gefragt wur-
den, ob wir eine von diesen drei oder vier Wohngemeinschaften
machen, und zwar nicht irgendeine, sondern die für verhaltens-
auffällige Leute. Für Leute also, die schon vor Ort - also im Otto
Wagner Spital - einiges zu lösen aufgegeben haben, wobei dort
ein relativ geschützter und gesicherter Rahmen gegeben ist, und
wir das aber immer im normalen sozialen Wohnbau in Wien
machen und nicht auf der grünen Wiese mit Blick in den Wald.
Natürlich sind wir da neugierig, wie das ausgehen wird.
Wir haben zwar schon ein paar Backups eingeplant, aber
darüber wollen wir jetzt einmal nicht reden. Die Exits werden wir
hoffentlich nie brauchen. Ich glaube auch, dass wir sehr gute
Leute gefunden haben, mit denen wir das durchziehen können
und wir - die Gesellschafter - müssen eben dafür die entsprechen-
den Rahmenbedingungen schaffen, damit alles funktioniert, dass
die Kollegen vor Ort ungestört arbeiten können. So gesehen sind
das halt meine Visionen: Menschen im Freizeit - Wohnbereich
einen Betreuungsplatz zu geben, den sie sonst vielleicht nicht
bekommen könnten auf Grund ihrer Behinderung. Das war
immer schon meine Leidenschaft – auch bei den früheren
Dienstgebern – Menschen zu betreuen, die sonst einfach keine