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besuche auch schon selbstständig. Nur wenn BetreuerInnen längere Zeit darauf
vergessen sie zu erinnern, kommt es vor, dass etwas danebengeht.
Im Vergleich zu früher hält sie sich jetzt besonders nach einer Einzelbetreuung
vermehrt in ihrem Zimmer auf und hört Musik. Ansonsten aber geht sie nach wie
vor den BetreuerInnen hinterher und beobachtet interessiert das Geschehen in
der WG. Wenn sie sich in ihrem Zimmer aufhält, verbindet sie den Klobesuch da-
mit eine Betreuungsperson zu bitten ihr die CD zu wechseln oder neu zu starten.
Die Betreuungspersonen haben erkannt, dass Frau F. sich immer dann anmacht,
wenn es ihr nicht schnell genug gelingt, eine Betreuungsperson zumWechseln der
CD zu finden. Als „Strafe“ für die fehlende Unterstützung geht sie dann auch nicht
auf die Toilette. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass dieses meist abgesperrt
ist und nur durch eine Betreuungsperson geöffnet werden kann.
Dass die Nassräume nicht zugänglich sind, hängt vor allem mit einer Bewohnerin
zusammen, die diese Räume gerne aufsucht. Frau E. fühlt sich vom Wasser ma-
gnetisch angezogen. In der Vergangenheit ist es nicht selten vorgekommen, dass
sie in die offenstehenden Toiletten gegangen ist und sich sogar mit Kot beschmiert
hat, da viele MitbewohnerInnen zwar in der Lage sind das stille Örtchen aufzusu-
chen aber darauf vergessen, das Ergebnis ihrer Sitzungen runter zu spülen. Frau
E. muss gereinigt und die Spuren ihres Treibens müssen weggewischt und desin-
fiziert werden. Weil es bisher nicht gelungen ist, die unappetitlichen Handlungen
von Frau E. in den Griff zu bekommen, musste man dazu übergehen alle Nassräu-
me abzusperren, was sich wiederum nachteilig auf die Kontinenz der anderen Be-
wohnerInnen auswirkt und dazu führt, dass auch sie sich manchmal nass machen,
weil sie nicht immer in der Lage sind, jemanden zu bitten ihnen aufzusperren.
An diesem Beispiel zeigt sich, dass das unangepasste Verhalten einer einzigen Be-
wohnerin dazu führt, dass das physische Wohlbefinden aller anderen stark in Mit-
leidenschaft gezogen wird. In den Gesprächen mit den Betreuungspersonen klingt
durch, dass geplant ist, das Zimmer von Frau E. in den ersten Stock der WG zu ver-
legen und entsprechende Barrieren einzubauen, damit sie sich zeitweise nur dort
aufhalten kann. So könnte gewährleistet werden, dass wenigstens für die Bewoh-
nerInnen im Parterre jederzeit ein freier Zugang zu den Toiletten ermöglicht wird.
Frau E. ist als einzige Bewohnerin mit einem Brustlatz ausgestattet, da sie ver-
mehrten Speichelfluss hat. Nicht immer wird der nasse Schutz rechtzeitig ge-
wechselt, was das Aussehen dieser an und für sich jungen hübschen Frau ziemlich
beeinträchtigt. Hätte Frau E. noch dazu ein ordentliches Gebiss und nicht eine
klaffende Lücke auf Grund fehlender Schneidezähne würde ihr äußeres Erschei-
nungsbild noch mehr gewinnen.
Herr W., der ständig ein buntes Tuch in der Größe einer Stoffwindel mit sich führt,
steckt dieses oft in seinen Mund, wodurch sein Speichel aufgesaugt wird. Frau E.
kaut auch oft an einem Stoff, wirft diesen aber bald weg, wodurch die notwendige
Hygiene nicht gewahrt werden kann. Herr W. hingegen lässt sein Tuch kaum fal-
len, spielt aber ab und zu damit, indem er es kreisen lässt. Wenn es sehr nass ist,
löst sich der Speichel tröpfchenweise vom Tuch, was zu einem eher unangeneh-
men Sprühregen führt. Nicht immer wird sein Tuch rechtzeitig gegen ein neues
getauscht, um die Verbreitung unhygienischer Zustände zu verhindern.
Frau B., die die Angewohnheit hat, während der von ihr eingeforderten Spazier-
gänge Zigarettenstummel aufzulesen und diese zu essen, frönt dadurch einer sehr
gefährlichen Leidenschaft, die zu großen Gesundheitsproblemen führen kann. Al-
lerdings ist Frau B. bisher gesundheitlich stabil und diese Art des Suchtverhaltens
hat ihr zum Glück noch keinen Schaden zugefügt. Die Betreuungspersonen sind
übereingekommen ihr ein, zwei Tschick pro Spaziergang zuzugestehen, womit
Frau B. gut umgehen kann, was vor eineinhalb Jahren noch nicht der Fall gewesen
ist.
Essen
Die Essenszubereitung findet im abgetrennten Teil der Küche meist ohne Einbe-
ziehung von BewohnerInnen statt. Dies mag zwar aus hygienischen Gründen ein
Vorteil sein, hat aber, wie später im Zusammenhang mit der Analyse des aktivi-
tätsbezogenen Wohlbefindens gezeigt wird, auch nachteilige Auswirkungen. Im
Vergleich zu früher wird jetzt beim Essen mehr auf Sauberkeit achtgegeben. Durch
die Nutzung von zwei Speiseräumen ist es zu einer Entspannung gekommen. Da
nur mehr vier bis fünf BewohnerInnen gemeinsam in einem Raum essen, gibt es
für sie mehr Ruhe und Zeit. Frau E. und Frau A. haben früher immer selbst geges-
sen, allerdings machten sie das in einer Art und Weise, die für die anderen Tisch-
nachbarInnen eher nicht anregend war. Sie nahmen beim Essen ihre Finger zur
Hilfe, verschmierten ihr Gesicht und verteilten das Essen rund um ihre Teller am
Tisch und am Boden. Eine Bewohnerin, die aus sozialpädagogischen Gründen in
dieser WG wohnte, empfand es als eine Zumutung in einem solchen schwierigen
Umfeld ihr Essen einnehmen zu müssen. Die neue Leitung steht auf dem Stand-