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Dinge neu zu sehen!“ Wie weit kann man wirklich gehen, ohne gleich alles verän-dern zu wollen – und trotzdem ein Stück weit Neues zuzulassen?
Dazu gibt es natürlich wieder die passende Geschichte: „Wir essen auf der Terras-se, alles ist schön hergerichtet. Die erste Porton bekommen die Bewohner meist angerichtet und dann können sie sich nachholen. Klientn F., der man das Essen ob ihrer vermeintlichen Gier immer gebracht hat, steht plötzlich auf und geht zum Bufet. Ein Kollege und ich wollen gleichzeitg aufspringen, um Gröberes zu verhin-dern, bleiben dann aber doch am Tisch. F. begutachtet das, was noch zu Verfügung steht, nimmt sich dann vorsichtg einen Schöpfer voll auf den Teller und setzt sich wieder !“ Nix ist passiert! Man müsse eben mutg genug sein, sich selbst in seinem Tun immer wieder zu hinterfragen. „Wenn man was haben will, was man noch nie gehabt hat, muss man was machen, was man noch nie gemacht hat.“ Und dabei müsse man auch Fehler machen und zulassen, um anschließend zu fragen, was diesen Fehler so wertvoll macht!?
So führt das Gespräch unweigerlich auch zu den sogenannten Frei-heitsbeschränkungen, die es in einer Wohngemeinschaf geben kann, die für den einen Schutz, für den anderen aber wirklich eine Beschränkung darstellen. So war es mit einer Klientn ein Prozess von über einem halben Jahr bis durch kluge Schachzüge des Teams vermitelt werden konnte, dass die schmutzige Wäsche nicht ein-fach verschwindet und damit Verlustängste auslöst, sondern nach einem Aufenthalt in der Waschmaschine und dem Trocknen dann wieder in der Kommode bereit liegt. „Wenn ich am Abend schlafen gehe und ich weiß nicht, wo mein Gewand bleibt und was ich mor-
gen vorfnde, dann habe ich auch Ängste“, umreißt Kaplan eine zutefst menschli-che Regung. So gab es eben manchmal durchaus turbulente Wartezeiten vor der Waschmaschine und hefigen Körperkontakt mit der Maschine bis das Leiberl ge-waschen wieder herauskam.
Blödsinn in jedem Alter
Die Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner in den Alltag ist selbstver-ständlich, schließlich geht es auch darum, die eigenen Bedürfnisse kennen zu lernen. Und hier philosophiert die engagierte Einrichtungsleiterin über die Dis-krepanz von Selbstbestmmung und Regelwerk! Ein Regelwerk braucht es fürs
Zusammenleben, denn wenn jeder das machen würde, was ihm gerade einfällt, ginge das unweigerlich zu Lasten der anderen. Skeptsch und problematsch sieht sie es, wenn Selbstbestmmung der KlientInnen zum Selbstzweck in der Betreuung wird. „Wenn dann das Argument aufaucht: er will halt fünf Mal in der Woche ins Kafeehaus gehen, dann soll er doch – das ist dann möglicherweise eher Bequem-lichkeit der BetreuerInnen als Selbstbestmmung der KlientInnen!“
Der große Altersunterschied der Bewohnerinnen und Bewohner ist eher belebend als hinderlich im Alltag. „Um einen Blödsinn zu machen, kommt es nicht aufs Alter an!“ Als einmal ein junger Bewohner in einen anderen Teil der Wohngemeinschaf gezogen ist, hat das eine unheimliche Dynamik ins Haus gebracht. Es haben sich neue Kontakte ergeben. Dass auch für einen autstschen Mann in der Wohnge-meinschaf die Gemeinschaf sehr wichtg ist und dass er weit mehr als den eige-
nen Kosmos wahrnimmt, hat sich in steigender Neugierde über die geänderte Wohnsituaton niedergeschlagen. „Und dass er sich ab und zu von einer Bewohnerin sanf übers Haar streicheln lässt, ist geradezu sensatonell!“
Nach gut 20 Jahren Arbeit im Sozialbereich kann sich Regina Kap-lan noch immer von den Kleinigkeiten im Alltag begeistern lassen, die zeigen, dass der Einsatz für Menschen mit Behinderungen auf fruchtbaren Boden fällt: „Da war zum Beispiel dieses freudige Blit-zen in den Augen, als ich endlich verstanden habe, dass es um den ‚Fußpfeger Müller‘ geht! Und dann frage ich mich immer wieder, ob das, was ich mache, eh noch in Ordnung ist. Alle diese Erlebnisse sind in jedem Fall eine Erweiterung meines eigenen Spektrums!“
Und dann wüsste sie ja noch eine Geschichte über das Ausmalen eines Zimmers zu erzählen, aber die kommt ein anderes Mal …
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