Eine sehr persönliche Geschichte.
Ich heiße Astrid und wohne seit langem in der Darwingasse.
Ich spreche von Haus aus nicht. Das habe ich noch nie. Warum auch. Dafür lautiere ich immer wieder mal, wenn mir danach ist. Und das geht bei mir auch schon mal sehr lautstark. Ich brauch das eben, das ist so.
Ich lebe in meiner eigenen Welt. Deren Mittelpunkte sind neben mir:
- mein Zimmer
- die Küche
- das Badezimmer
Ich sollte besser sagen
- meine Küche
- mein Badezimmer
So empfinde ich es jedenfalls. Die Küche ist mir sehr wichtig, weil da meine Kaffeemaschine steht und ich mir dort zwischendurch meinen Apfel, meine Scheibe Brot, meine Semmel holen kann. Und meine Manner-Schnitten sind dort.
Das ist meine Welt, alles andere ist eigentlich störend und für mich unnormal und unwichtig.
Die anderen Menschen, die auch dort sind, sind mir unwichtig, weil ich nichts mit ihnen und ihrer Unnormalität anfangen kann. Mit denen habe ich keinen Kontakt. Ich habe nur mit mir selbst Kontakt. Klar, den einen oder die andere mag ich schon – wenn mir danach ist, dann greife ich denen, die ich mag, an die Nase und ziehe daran. So zeige ich eben, dass ich jemanden leiden kann.
Kennen tu ich auch meine Mutter, meinen Besuchsdienst. Und die Betreuerinnen und Betreuer. Ich freue mich, wenn es raus geht, wenn meine Mutter mich am Wochenende abholt, wenn mein Besuchsdienst mich abholt.
Ich habe mich im Laufe der Jahre großzügig auf einige Kompromisse eingelassen, die das Leben mit all den anderen für mich unnormalen Menschen etwas einfacher macht. Zum Beispiel deute ich auf das Pickerl meiner Manner-Schnitten am Kasten, wenn ich welche haben will. Oder ich bringe nach dem Essen meinen leeren Teller in die Küche oder ich ziehe morgens meine Schuhe selbst an. Seit Neuestem wollen die Unnormalen, dass ich mit zum Einkaufen gehe und sie geben mir dann alles Mögliche in die Hand, damit ich es in den Einkaufswagen lege. Für mich ist das alles eigentlich unnötig, aber was soll´s, wenn die anderen damit glücklich werden. Sollen sie es halt haben. Will mal nicht so sein.
Kaffee trinke ich für mein Leben gerne, könnte ich von morgens bis abends. Leider verstehen das die Unnormalen nicht. Ich kann machen, was ich will. Sie kapieren das nicht.
Gerne habe ich immer etwas zum Spielen in den Händen – ein Taschentuch, ein Jausensackerl, einen Socken. Ich bin aber die Einzige, die es verstanden hat, dass das zu einem normalen Leben dazugehört, die Unnormalen machen das nicht, was mich natürlich immer wieder sehr amüsiert.
Vielleicht kapieren sie es ja eines Tages auch noch, habe da aber wenig Hoffnung … man muss eben nur Geduld mit ihnen haben …
Bilder: Barbara Pelzmann (Besuchsdienst)
Text (oder besser Niederschrift einer subjektiven Interpretation): Christian Franke
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